Warum KI bald auch Chef*in sein wird – und warum wir jetzt darüber sprechen müssen
Arbeiten Sie noch, oder lassen Sie schon KI für sich arbeiten? Viele standardisierte Aufgaben lässt man schon gerne durch KI erledigen – sei es ein kleiner Text oder ein optimiertes Bild. Aber wussten Sie, dass selbst die vermeintlich letzte menschliche Bastion in Unternehmen, nämlich Leadership, vor KI nicht gefeit ist? Digitale Tools werden Führung nicht nur verändern, sondern die ein oder andere Führungskraft in Zukunft auch ablösen. Warum das so ist und worüber wir jetzt nachdenken sollten, verraten wir Ihnen in unserem Blogbeitrag.
Von Prof. Niels Van Quaquebeke und Prof. Fabiola H. Gerpott (WHU – Otto Beisheim School of Management)
Digitalisierung von Leadership
Spätestens während der Corona-Pandemie zeigte sich, wie wichtig digitale Techniken schon heute für das Thema Führung sind. Ohne Teams, Zoom & Co. hätten Führungskräfte ihre Mitarbeitenden kaum noch erreichen können, und auch heute haben die Tools ihren festen Platz. Gleichzeitig gilt: Was ein Wettbewerbsvorteil sein könnte, wird auch als solcher genutzt werden. Und das Digitale ist häufig schneller, kostengünstiger oder schlicht einfacher – die Digitalisierung von Leadership wird also weiter große Sprünge machen. Der nächste logische Schritt: Digital unterstützte Führung, die KI als Assistenz der menschlichen Führungskraft, z.B. für die Vorbereitung strategischer Entscheidungen oder Analysieren von Mitarbeiterverhalten nutzt. Von dort könnte der nächste Schritt folgen: Digital substituierte Führung, also KI, die die Führungsrolle komplett übernimmt, statt nur zu unterstützen.
Vergessen Sie Leadership-Romantik
Stopp, hören wir einige von Ihnen sagen, „echtes“ Leadership können doch nur „echte“ Menschen! Wie soll eine KI Begeisterung wecken, motivieren, Mitarbeitende auf Unternehmensziele einschwören? Unsere Antwort wird Ihnen vielleicht nicht gefallen, aber – vergessen Sie diese Leadership-Romantik. KI wird auch diese Bastion einnehmen, und den Job dann vermutlich sogar besser machen als so manche Führungskraft heute. Bleiben wir bei unserer romantischen Vorstellung, werden wir eines Tages ziemlich unvorbereitet in der Realität erwachen.
Warum KI die bessere Führungskraft sein kann
Diese KI-Führungskraft der Zukunft wird ziemlich sicher kein Chat-Programm mehr sein, sondern mit menschlicher Stimme sprechen (wie es heute schon Siri oder Alexa tun) und vielleicht auch optisch einen menschlichen Körper, oder eher Avatar besitzen, den wir zum Beispiel durch einen VR-Brille sehen können. Wie gut es insgesamt funktioniert, wird davon abhängen, wie gut die KI auf die psychologischen Grundbedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen kann. Menschen sehnen sich nach Verbundenheit, Autonomie und Kompetenzerleben. Fantastische Führungskräfte sind deshalb so gut, weil sie diese Bedürfnisse hervorragend erfüllen. Aber seien wir mal ehrlich: Wie viele fantastische Chef*innen hatten Sie schon?
Viele Führungskräfte sind gestresst, überlastet, unaufmerksam, ungewollt unfair oder schlicht nicht sonderlich empathisch. Eine KI, die in Zukunft alle Details aufnimmt und berücksichtigen kann, wäre hier in vielen Situationen von Vorteil. Schon heute interagieren Mensch und Maschine, zum Beispiel im Bereich der Online-Therapie, sehr harmonisch. Viele haben weniger Hemmungen, sich gegenüber einer Maschine zu öffnen und manche Programme sind so gut, dass der Unterschied zum Menschen schon heute kaum noch bemerkt wird. Warum sollte das nicht auch im Bereich Mitarbeiterführung klappen?
Konstruktiv denken, statt Sorgen machen
Natürlich: trotz aller möglichen positiven Effekte kann einem diese Vorstellung erstmal Angst machen. Aber was wir jetzt tun sollten, statt kollektiv in Sorgen auszubrechen: miteinander sprechen! Was bedeutet diese Entwicklung für Leadership? Welche Rolle können und müssen Menschen in Zukunft einnehmen? Wofür brauchen wir weiter menschliche Führungskräfte? Was muss sich verändern in Leadership-Forschung und Ausbildung?
Unsere Antwort: Ja, wir brauchen natürlich weiterhin Menschen in Führungspositionen. Diese müssen aber in Zukunft verstehen, wie Menschen ticken und wie KIs funktionieren. Denn ihre Aufgabe wird es zum Großteil sein, die Maschinen zu führen, die wiederum Menschen führen. Sie müssen entscheiden, nach welchen Regeln Maschinen lernen, damit diese nicht unfair und unethisch handeln. Wir sollten besser jetzt darüber sprechen, bevor sich die Maschinen ihre eigenen Regeln geben.
Mehr zu diesem Thema:
- Van Quaquebeke, N., & Gerpott, F. H. (2023). The Now, New, and Next of Digital Leadership: How Artificial Intelligence (AI) Will Take Over and Change Leadership as We Know It. Journal of Leadership & Organizational Studies, online first. https://doi.org/10.1177/15480518231181731