Haben Sie auch schon einmal eine Reihe von Fragen beantwortet, um mithilfe des Myers-Briggs Typenindikators (MBTI) festzustellen, welcher Persönlichkeitstyp Sie sind? Falls ja, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Tatsächlich nutzen 89 % aller Fortune-100-Unternehmen diesen Test.
Doch obwohl der Myers-Briggs Test weitverbreitet ist und den Ruf hat, aufschlussreiche Ergebnisse zu liefern, weist er grundlegende Mängel auf. Warum? Ganz einfach: Der Test ist weder valide noch zuverlässig. Tatsächlich ist er so wenig konsistent, dass es passieren kann, dass Sie ein völlig anderes Ergebnis erhalten, wenn Sie ihn mit zeitlichem Abstand wiederholen. Bestimmte Persönlichkeitsaspekte, die Psychologen für wichtig halten, misst er erst gar nicht. Und als wäre das alles nicht schlimm genug, trifft er zudem keinerlei Aussagen über Dinge, die für Unternehmen wirklich wichtig sind, wie etwa die Arbeitsleistung. Hinzu kommt: Einige Persönlichkeitstests, die – anders als der Myers-Briggs Test – eine besonders hohe Treffsicherheit aufweisen und auf extensiver Forschung beruhen, sind kostenlos erhältlich.
Auf Forschungsergebnisse vertrauen und nicht aufs Bauchgefühl
Lassen Sie uns ein anderes Szenario betrachten: Wären Sie bereit, ein Medikament zu nehmen, das nicht gründlich getestet wurde? Ein Medikament, das Ihre Symptome sogar verschlimmern könnte? Höchstwahrscheinlich ist Ihre Antwort ein entschiedenes „Nein!“. Aber wenn es um Führungsfragen geht, spielen viele von uns anscheinend nach völlig anderen Regeln.
Wir lieben Geschichten von Unternehmern, die dank ihres Bauchgefühls und entgegen aller Wahrscheinlichkeit Erfolg hatten. Aber denken Sie daran: Jeder derartigen Erfolgsgeschichte stehen unzählige Geschichten von Unternehmen gegenüber, denen es zum Verhängnis wurde, dass jemand die Datenlage mehr oder weniger ignoriert hat, nur um seiner Intuition zu folgen.
Evidenzbasiertes Management
Es gibt viele Führungsmythen, die sich leicht widerlegen lassen, wenn man sich mit den umfangreichen Forschungsergebnissen befasst, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt in Zeitschriften mit Peer-Review-Verfahren veröffentlichen. Ich meine damit nicht die „Experten“, die ihre sensationellen Erkenntnisse auf YouTube veröffentlichen oder damit bei Amazon Bestsellerstatus erlangen. Nein, hier geht es um Tausende stiller Heldinnen und Helden, die hinter den Kulissen arbeiten, in den heiligen Hallen der Wissenschaft. Ihre Mission? Sie wollen gründlich, mit viel Zeit und objektiv forschen und – mit Blick auf die Ergebnisse – frei von wirtschaftlichen Interessen sein.
Im Bereich des evidenzbasierten Managements (EBM) liegen allen Führungsentscheidungen und -strategien belastbare Daten zugrunde, die diese rechtfertigen. Man trifft informierte Entscheidungen, die auf fundierten Kenntnissen und Fakten basieren, dem Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen mit solider Methodik. Und genau das erhöht die Wahrscheinlichkeit, das Gewünschte zu erreichen, drastisch. Ohne EBM verlassen sich Unternehmen auf nicht verifizierte Annahmen und das Bauchgefühl ihrer Führungskräfte.
Was können Sie tun, um im Management oder im Studium Ihre Fertigkeiten zu verbessern?
Seien wir doch mal ehrlich: Jede und jeder von uns hat sich schon von Leadership-Geschwafel einfangen lassen, das gerade in aller Munde ist. Aber das bringt nichts. Wenn Sie BWL studieren, kann Managementforschung Ihre Geheimwaffe sein oder der Schlüssel, der Ihnen die Tür zum Verständnis von Geschäftskonzepten und Unternehmensstrategien öffnet.
Und wie sieht es aus, wenn Sie im Management arbeiten? Nun, auch dann kann Managementforschung zu Ihrem Ass im Ärmel werden. Treffen Sie Entscheidungen, die auf gesicherten Erkenntnissen basieren und nicht auf Ihrer Intuition oder Dingen, die Sie irgendwo gehört haben. Sie werden sehen, Ihre Erfolgsquote schnellt nach oben. Aber wie fangen Sie an? Informieren Sie sich laufend über die neuesten Forschungserkenntnisse zu Ihrer Branche. Besuchen Sie wissenschaftliche Tagungen, lesen Sie Zeitschriften, die sich entsprechender Forschung widmen oder belegen Sie eine Lehrveranstaltung an Ihrer liebsten Wirtschaftshochschule. Oder Sie könnten sogar in Ihrem Unternehmen ein evidenzbasiertes Forschungsprojekt ins Leben rufen.
Denken Sie daran: Das Ziel ist, Ihre vorgefassten Annahmen einer objektiven Prüfung zu unterziehen. Je nachdem, was die Forschung sagt, müssen Sie bereit sein, umzuschwenken. Wenn Sie das nächste Mal vor einer geschäftlichen Entscheidung stehen, verlassen Sie sich nicht auf Ihre Intuition – verlassen Sie sich auf die Wissenschaft!
