
Warum Kinderarbeit in der Kakaoindustrie nicht verschwindet – und was wir operativ dagegen tun können

Wenn ich über Nachhaltigkeit in Lieferketten spreche, begegnet mir oft die Frage: „Aber ändert sich da überhaupt etwas?“ Ein gutes Beispiel, um diese Frage zu beantworten, ist die Kinderarbeit in der Kakaoindustrie. Sie zeigt, wie schwer es ist, tief verwurzelte Probleme allein mit guten Absichten zu lösen – und welche Rolle Lieferkettenlogistik und operative Systeme spielen können.
Schätzungen zufolge arbeiten rund 1,56 Millionen Kinder unter gefährlichen Bedingungen auf Kakaoplantagen in Westafrika, vor allem in der Elfenbeinküste und Ghana. Viele von ihnen pflücken Früchte, tragen schwere Lasten oder hantieren mit Pestiziden. Die meisten dieser Kinder arbeiten auf Farmen ihrer eigenen Familien – Familien, die in extremer Armut leben und auf jede helfende Hand angewiesen sind.
Warum viele Programme scheitern
In den letzten Jahrzehnten haben viele Unternehmen und Organisationen versucht, die Kinderarbeit entlang der Kakaolieferkette zu reduzieren. Große Schokoladenhersteller wie Nestlé, Mondelez oder Barry Callebaut haben eigene Programme aufgesetzt – mit Schulungen, besseren Arbeitsbedingungen oder höheren Einkaufspreisen. NGOs wie die International Cocoa Initiative (ICI) arbeiten mit Gemeinden vor Ort, um Bildung zu fördern und Alternativen zur Kinderarbeit in nachhaltigen Lieferketten zu schaffen.
Trotzdem ist die Zahl der betroffenen Kinder nicht gesunken – im Gegenteil. Warum?
- Erstens: Die Kontrolle von Millionen Kleinbauern ist extrem schwierig.
- Zweitens: Die Farmer unterscheiden sich stark – in Größe, Struktur und familiärer Situation.
- Drittens: Die meisten Programme setzen nicht an der eigentlichen Ursache an – der Armut. Solange Familien nicht genug verdienen, bleibt Kinderarbeit für sie oft überlebenswichtig.
Finanzielle und operative Hebel gegen Kinderarbeit
In meiner Forschung interessiere ich mich für die Frage, wie man solche systemischen Probleme operativ besser lösen kann: Also, was den Zugang zu Krediten angeht, bedingungslose Geldtransfers, oder auch den Zugang zu besseren Anbaumethoden beziehungsweise Produktionsmitteln.
Ein Unternehmen, das hier beispielhaft vorgeht, ist Tony’s Chocolonely. Es setzt auf direkte Partnerschaften mit Farmerkooperativen, vollständige Rückverfolgbarkeit und faire Preise. Ihre Lieferkette ist nicht nur transparent, sondern bewusst so gestaltet, dass sie die strukturellen Ursachen von Kinderarbeit adressiert – ein Prinzip, das auch auf andere Branchen übertragbar ist.
Was wir daraus lernen können
Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten ist kein PR-Thema. Sie braucht operative Exzellenz: Systeme, die Armut nicht ausblenden, sondern berücksichtigen. Mechanismen, die soziale Risiken sichtbar machen und aktiv steuern. Und Partner, die nicht nur für Compliance sorgen, sondern Verantwortung übernehmen.
Wenn wir das ernst nehmen, ist es durchaus möglich, Kinderarbeit zu reduzieren – nicht durch Appelle, sondern durch strukturierte Prozesse.
Prof. Dr. Andreas Gernert
Prof. Dr. Andreas Gernert ist Assistenzprofessor für Nachhaltiges Wirtschaften an der KLU. Prof. Dr. Gernerts aktuelle Forschung befasst sich mit Strategien, Geschäftsmodellen und Strategien in Bezug auf die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – ökologisch, sozial und ökonomisch. Um den Lernprozess der Studierenden zu fördern, setzt Prof. Dr. Gernert interaktive und studierendenzentrierte Lehrmethoden wie Fallstudien-Diskussionen und Lernspiele ein.

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