A boy wearing VR glasses and exploring the virtual reality.

Virtuelle Welten: Von ersten Eindrücken, zweiten Chancen und dritten Versuchen

von Prof. Dr. Andreas Kaplan
A boy wearing VR glasses and exploring the virtual reality.
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Schon zweimal sind virtuelle Welten auf ein breites Medienecho gestoßen: Zum ersten Mal 2003 nach der Premiere von Second Life und dann 2021, als Mark Zuckerberg die Metaverse-Strategie vorgestellt hat. Beide Male habe ich mit Projekten im Kontext virtueller Welten begonnen, während diese einen absoluten Hype erlebten. Als meine Arbeiten dann veröffentlicht wurden, war das Medieninteresse längst wieder erloschen. So etwas kann passieren. Dieser Blogbeitrag untersucht, worin sich die beiden Hochphasen unterscheiden und wo Gemeinsamkeiten liegen, um dann nach Erklärungen dafür zu suchen, dass die virtuellen Welten nun bereits zum zweiten Mal wieder in Vergessenheit geraten sind. Darüber hinaus widmet er sich der Frage, warum es trotz des schwindenden Medieninteresses durchaus möglich sein könnte, dass eine neue – diesmal bleibende – Euphorie einsetzt.

Der erste Eindruck täuscht: Manches ist altbekannt, anderes nicht

Die Versuchung ist groß, das Metaverse einfach als moderne Variante bereits bekannter Konzepte abzutun – diese Wahrnehmung ist teilweise berechtigt, teilweise liegt man damit aber auch falsch. Denn technologische Fortschritte haben unser virtuelles Erleben deutlich verbessert. Sah man den Avataren auf dem Bildschirm früher lediglich zu, sorgen heute VR-Headsets für ein immersives 3-D-Erlebnis und geben Nutzern das Gefühl, dass ihr Avatar sie im wahrsten Sinne des Wortes verkörpert. Fortschritte im Bereich der Audiotechnologie und des haptisches Feedbacks machen diese Erlebnisse noch realistischer. Mittlerweile arbeitet man sogar daran, auch den Geruchs- und Geschmackssinn einzubeziehen, beispielsweise mithilfe von Technologien, die es den Nutzern erlauben, auf einer virtuellen Wiese den Duft von Gras zu riechen oder dank eines Bildschirms, an dem man lecken kann, den Geschmack von Speisen zu kosten. Trotz all dieser Fortschritte fehlt es dem Metaverse jedoch an einer massentauglichen „Killer-Anwendung“, sodass ihr Nischencharakter bleibt. Unsere Daten aus 2009 haben gezeigt, dass einzelne Nutzer bis zu sechzehn Stunden täglich in Second Life verbrachten. Doch dieses hohe Engagement beschränkt sich auf eine Minderheit – Mainstream zu werden, ist und bleibt eine echte Herausforderung.

Die zweite Chance: Alles eine Frage des strategischen Timings

Um das fluktuierende Interesse an virtuellen Welten zu verstehen, muss man das Wiederaufflammen und Erlöschen des Themas „Metaverse“ betrachten, das kürzlich stattgefunden hat. Mark Zuckerbergs 2021 präsentierte Vision dieser virtuellen Welt als nächster Stufe des Internets, die von einer Investition in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar gestützt wurde, sorgte zunächst einmal für große Begeisterung. Allerdings zielte er mit dieser Ankündigung auch darauf ab, das Image von Facebook aufzufrischen, denn unter jungen Menschen hatte das Portal an Strahlkraft verloren, hinzu kamen diverse Skandale. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde zwar deutlich, dass digitale Räume eine reizvolle Möglichkeit für Interaktionen sind, die nicht in Präsenz stattfinden (können). Es kam jedoch keine bahnbrechende Anwendung für virtuelle Welten auf den Markt, woraufhin die Skepsis wuchs. Tatsächlich ließ die Aufregung rund um das Metaverse weiter nach, als Technologien wie ChatGPT, die auf generativer KI basieren und einen unmittelbaren Nutzen bieten, vorgestellt wurden. Zudem trugen auch ökologische Bedenken mit Blick auf energiefressende VR-Technologien sowie weitreichende wirtschaftliche Herausforderungen dazu bei, dass die Relevanz des Metaverse abnahm. Das schwindende Interesse legt nahe, dass der Hype in diesem Fall eher dem strategischem Timing geschuldet war als einer signifikanten Innovation.

Aller guten Dinge sind drei: Was lange währt, wird endlich gut

Es ist eine Herausforderung, die weitere Entwicklung des Metaverse vorherzusagen und zu definieren, wie eine entsprechende „Killer-Anwendung“ aussehen könnte. Einige Prognosen gehen von Gaming-Anwendungen aus, andere von umfassenden Anwendungen, die auf Unternehmensebene und zuhause zum Einsatz kommen. Virtuelle Meetings könnten mit authentischeren Interaktionen dank Avataren der „Zoom-Fatigue“ entgegenwirken. Das Metaverse könnte für eine Transformation des Handels sorgen, insbesondere im Kleidungs- und Modebereich, und Onlineshopping immersiver machen. Das Lieferkettenmanagement könnte von immersiven Simulationen und digitalen Zwillingen profitieren und so Entscheidungsfindung, Risikomanagement und Transparenz verbessern. Durch eine Förderung der interaktiven Zusammenarbeit, die Möglichkeit, Szenarien in Echtzeit zu testen und so detaillierte operative Einblicke zu erhalten, könnte das Metaverse Resilienz, Effizienz und nachhaltige Praktiken stärken. Auch der Bildungssektor könnte profitieren – und zwar von Enriched Virtual Learning Environments. Zu den Schlüsselfragen zählt hier, in welchem Ausmaß Bildungsangebote sich in den Online-Raum verlagern werden und ob man künftig mehr auf interaktive, gamifizierte Methoden setzt. Positive Antworten auf diese Fragen könnten signalisieren, dass das Metaverse bereit für eine dritte Welle der Popularität ist. Vielleicht bewahrheitet sich also die Weisheit „Aller guten Dinge sind drei“ und das Metaverse wird irgendwann tatsächlich breit genutzt.

 

Zum Weiterlesen:

  • Kaplan A., Haenlein M. (2024) To Be or Not to Be: Will Virtual Worlds and the Metaverse Gain Lasting Traction? California Management Review, 66(4).
  • Kaplan A., Haenlein M. (2009) The fairyland of Second Life: About virtual social worlds and how to use them, Business Horizons, 52(6), 563-572.

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